Digitalisierung kann persönlichen Kontakt nicht ersetzen

kaum ein anderes Thema beschäftigt derzeit die Medien der Assekuranz so sehr wie die Digitalisierung. Fast in jeder Ausgabe von Fachmagazinen wird sie mehr oder minder intensiv behandelt. Und tatsächlich, der elektronischen Datenverarbeitung unterliegen mittlerweile fast sämtliche Prozesse innerhalb der Branche, sowie im Be- als auch im Vertrieb. Einige Experten sehen in der Digitalisierung sogar das Allheilmittel für alte Probleme der Versicherungswirtschaft – die hohe Kostenbelastung, Intransparenz, mangelnde Flexibilität und unseriöse Vertriebsmodelle sollen durch das elektronische Fegefeuer schon sehr bald der Vergangenheit angehören. Die anderen prophezeien vor allem den klassischen Versicherungsvertrieben ein baldiges Ende durch das mächtige World Wide Web – Fintechs, Vergleichsportale und die sog. Onlinemakler würden sich zugleich auf die Kundenbestände von klassischen Vermittlern stürzen und in kürzester Zeit mehrheitlich an sich binden.

Einig scheint sich die absolute Mehrheit von Fachgurus in einem zu sein – es wird in der absehbaren Zukunft nichts mehr bleiben wie es war. Verfolgt man aufmerksam die Medienberichte aus der letzten Zeit, so kann man dem ganzen Hype rund um Digitalisierung schon mal die Anzeichen einer künstlich aufgebauschten Hysterie entnehmen.

Dabei kann man sich der düsteren Stimmung  ganz einfach entziehen – man besinne sich auf die ursprünglichen Dinge des Versicherungsgeschäfts:

Versicherungsschutz ist ein hochkomplexes und vor allem abstraktes Produkt. Seine Eigenschaften müssen dem Verbraucher daher intensiv und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lebenssituation erklärt werden. Eine persönliche Beratung hat im Versicherungswesen einen enorm hohen und absolut unabdinglichen Stellenwert. Keine Maschine wird den Verbraucher auch in der Zukunft dazu bewegen können, die Versicherungsbedingungen eigenständig zu studieren. 

Versicherungsdeckung ist ein Vertrauensprodukt. Der Verbraucher bekommt gegen die Zahlung eines zum Teil hohen Beitrages lediglich ein Paar Seiten Papier – den Versicherungsschein – als Versprechen im Versicherungsfall eine monetäre Unterstützung vom Versicherer zu erhalten. Darauf muss der Kunde vertrauen können. Das Vertrauen entsteht bekanntlich am Besten in einem Auge-in-Auge-Kontakt und wird von einer Maschine auch in der Zukunft kaum besser aufgebaut werden können als von einem persönlichen Berater vor Ort.

Versicherung ist ein negativ belegtes Produkt. Altersarmut, Krankheit, Verlust der Arbeitskraft u.s.w. sind Ereignisse, vor denen ein Mensch naturgemäß gerne die Augen verschließt. In einer Beratung muss ein Versicherungsberater die schlimmen Lebenszenarien jedoch unvermeidlich zum Thema machen, den Kunden über die Hemmschwelle behutsam begleiten, Lösungsansätze aufzeigen und die negativen Begriffe mit positiven Erlebnissen kompensieren. Nur wenige Kunden zeigen sich der eigenen Risikosituation voll bewusst und sind bereit sich damit eigenständig aktiv auseinanderzusetzen. Eine Maschine wird dieses Bewusstsein kaum wecken können. Das wird auch in der Zukunft die Aufgabe eines persönlichen Beraters bleiben.

Der Versicherungsmarkt ist ein sog. Verkäufermarkt. Die Versicherungsprodukte werden aus den Kundenkreisen nur selten von alleine nachgefragt, sondern müssen aktiv angeboten werden. Der Verkäufer muss hier also auf den Kunden zugehen. Persönlicher Kontakt spielt dabei gegenüber den sonstigen,  auch noch so raffinierten Medien,  eine übergeordnete Rolle. Ob sich die Kunden in der Zukunft anders verhalten werden bleibt äußerst fraglich.

Die neuesten Umfragen unter Verbrauchern bestätigen nur die o.g. Thesen. Über eine davon – vom Managementberatungsunternehmen Bain & Company – haben wir bereits berichtet. Auch die jüngste Umfrage von YouGov  umschreibt die unverändert starke Position der persönlichen Beratung und Präsenz in den Versicherungsprozessen der Zukunft. Demnach schließen nur 10 Prozent der Verbraucher ihre Versicherungen ohne persönlichen Kontakt ab. Sogar bei der reinen Übermittlung von Unterlagen zieht die absolute Mehrheit der Versicherungskunden eine Aushändigung oder postalische Zustellung dem elektronischen Versand vor.

Fazit – die digitalen Medien werden in der Zukunft offensichtlich immer stärkere Rolle in der Versicherungsbranche einnehmen, jedoch niemals die persönliche Präsenz von Fachspezialisten komplett ersetzen können. Sie müssen von Branchenprofis keinesfalls verteufelt und abgelehnt, sondern als gut geeignete Hilfswerkzeuge genutzt und in die Betriebe integriert werden. Aber nur als solche.

Bildquelle: contrastwerkstatt / fotolia.com 

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